Medizinische Kompressionsstrümpfe sind bei Venenleiden, Lymphödemen und Lipödemen ein wichtiger Baustein der Basistherapie. Wichtigste Voraussetzung für den Behandlungserfolg ist ein genaues Maßnehmen für die optimale Passform – denn nur dann können die Strümpfe ihre volle Wirkung entfalten.
Von Sabine Jansen
Laut Deutscher Venen-Liga ist mehr als ein Viertel der Erwachsenen von krankhaften Veränderungen der Venen betroffen. Bereits unschöne Besenreiser und Krampfadern zeigen an, dass der Rückfluss des Bluts in den Beinen gestört ist. In diesem Fall sind es die Venenklappen, die nicht mehr richtig schließen, sodass das nach oben gepumpte venöse Blut wieder zurückfließt und in den Waden versackt. Sind die Venenklappen undicht, können auch die Muskelpumpen nicht mehr viel ausrichten. Auf Dauer halten die betroffenen Venen dem Druck des hin und her »pendelnden« Blutes immer weniger stand, sie weiten sich und sacken aus – und zeigen sich dann als unschöne, geschlängelte, bläulich gefärbte Stränge auf der Haut der Beine. Schon milde Formen einer venösen Insuffizienz sind für den Betroffenen unangenehm: Müde, schwere, schmerzende Beine oder Schwellungen sind typische Symptome. Spätestens jetzt sollten die Betroffenen handeln und einen Arzt aufsuchen. Denn wenn die geschwächten Venen nicht unterstützt werden, kann sich ihr Zustand weiter verschlechtern. Hier kommt der medizinische Kompressionsstrumpf ins Spiel. Er ist die wirksamste Waffe im Kampf gegen schlaffe Venen.
Gegensteuern mit gezieltem Druck von außen
Durch die Kompression des Strumpfs wird von außen Druck auf die Venen ausgeübt, ihr Durchmesser verkleinert sich. So können die Venenklappen wieder besser schließen, weniger Blut versackt in den Beinen, Knöchel und Beine schwellen nicht mehr an. In zahlreichen wissenschaftlichen Studien wurde nachgewiesen, dass Kompressionsstrümpfe die Beschwerden durch venöse Erkrankungen deutlich lindern können. Vor allem aber wird mit ihnen der Entstehung schwerer Erkrankungen im Bereich der Beine vorbeugt – ein Aspekt, der in Anbetracht schwerer möglicher Folgeerscheinungen wie offene, schlecht heilende Verletzungen bzw. Geschwüre am Bein vielleicht das wichtigste Argument für das rechtzeitige Tragen von Kompressionsstrümpfen sind.
Kompressionsversorgung beim Lymphödem ...
Aber auch zur Behandlung eines Lymphödems oder Lipödems kommen medizinische Kompressionsstrümpfe zum Einsatz. Das Lymph-ödem entsteht durch eine Beeinträchtigung des Lymphgefäßsystems, wodurch die Lymphflüssigkeit nicht mehr ausreichend abtransportiert werden kann. Dadurch sammelt sich Flüssigkeit im Gewebe an, eine Volumenzunahme des betroffenen Körperteils ist die Folge. Besonders oft sind die Beine betroffen, aber auch in den Armen kann sich ein Lymphödem entwickeln. Typischerweise tritt die Erkrankung jedoch einseitig, also nur an einem Bein oder Arm, auf.
... und beim Lipödem
Ein Lipödem kann ebenfalls sowohl die unteren als auch die oberen Extremitäten betreffen. Der Krankheitsmechanismus ist jedoch ein anderer: In diesem Fall ist die Fettverteilung krankhaft gestört, sodass sich die Fettzellen unkontrolliert im Fettgewebe der Unterhaut vermehren. Dadurch werden die betroffenen Gliedmaßen unproportioniert dick, wobei immer symmetrisch beide Arme oder Beine betroffen sind. Gefördert wird die Volumenzunahme durch zusätzliche Wassereinlagerungen zwischen den Fettzellen. Sowohl bei einem Lymphödem als auch bei einem Lipödem leisten Kompressionsstrümpfe wertvolle Dienste, indem sie wie eine physikalische Entstauungstherapie wirken; verstärkt wird der Effekt durch manuelle Lymphdrainagen. Anders als gewöhnliche Stützstrümpfe, die bei diesen Erkrankungen keinerlei therapeutischen Nutzen haben, werden medizinische Kompressionsstrümpfe vom Arzt verordnet. »Auf dieser Grundlage passen wir dann den Kompressionsstrumpf individuell an«, erklärt Franz Scherzl vom Orthoforum Orthopädietechnik.
Kompressionsstrümpfe digital vermessen – schnell, präzise, berührungslos
Franz Scherzl, Orthopädietechnikermeister bei Orthoforum Orthopädietechnik und Experte für Kompressionsversorgung (Phlebologie, Lymphologie, Lipologie), setzt für die Ermittlung der individuellen Maße seiner Kundinnen und Kunden ein hochmodernes digitales Messverfahren mit einer 3D-Kamera ein. Wie genau das digitale Messen mit medi vision funktioniert und welche Vorteile die innovative Methode hat, erklärt er im Gespräch mit TOPFIT.
Herr Scherzl, welche medizinischen Kompressionsstrümpfe gibt es?
Herr Scherzl: Bei den medizinischen Kompressionsstrümpfen unterscheiden wir im Wesentlichen zwischen der Flachstricktechnik und der Rundstricktechnik. Grob gesagt, werden venöse Erkrankungen mit rundgestrickten, d. h. nahtlosen, Kompressionsstrümpfen behandelt, wohingegen sich bei chronischen Lymphödemen und Lipödemen das Tragen von flachgestrickten Kompressionsstrümpfen bewährt hat – vor allem wenn es sich um fortgeschrittene Stadien handelt. Die flachgestrickten Kompressionsstrümpfe gibt es nur auf Rezept: Sie werden für die Therapie von Lip- oder Lymphödemen vom Arzt verschrieben und müssen dann im medizinischen Fachhandel professionell angepasst werden.
Gibt es weitere Unterschiede?
Herr Scherzl: Kompressionsstrümpfe werden in vier verschiedenen Druckklassen angeboten – je nach Schweregrad der Venen-, Lymph- oder Lipödemerkrankung. Je höher die Kompressionsklasse, desto stärker ist der Druck des medizinischen Kompressionsstrumpfs auf das Gewebe oder die Blutgefäße. Die Vorgabe der Kompressionsklasse ist ebenfalls Sache des behandelnden Arztes, der die Entscheidung nach einer eingehenden Untersuchung trifft.
Weshalb ist es so wichtig, dass Kompressionsstrümpfe gut passen?
Herr Scherzl: Kompressionsstrümpfe sind nicht einfach Kleidungsstücke wie eine normale Strumpfhose oder Strümpfe. Um einem Patienten oder einer Patientin mit einem Venenleiden, einem Lymphödem oder einem Lipödem optimal helfen zu können, müssen die medizinischen Kompressionsstrümpfe einen genau definierten, vom Knöchel zum Oberschenkel hin abnehmenden Druck auf das Bein ausüben. Das ist nur möglich, wenn die Strümpfe richtig passen, also maßgenau auf die Beine des Betroffenen abgestimmt sind.
Kann ein schlecht sitzender Kompressionsstrumpf auch schaden?
Herr Scherzl: Fakt ist: Schon eine geringe Abweichung von der eigentlich notwendigen Passform kann den Behandlungseffekt beeinträchtigen bzw. dafür sorgen, dass er ganz ausbleibt. Im Extremfall kann ein schlecht sitzender Kompressionsstrumpf das Krankheitsbild sogar verschlimmern. Dann sind unnötige Schmerzen und Schwellungen die Folgen. Aber selbst, wenn der Strumpf »nur« störende Falten wirft, wird er sehr wahrscheinlich früher oder später in der Schublade bleiben und nicht mehr angezogen werden.In Ihrem Fachgeschäft werden Kompressionsstrümpfe passgenau maßgefertigt.
Wie gehen Sie vor?
Herr Scherzl: Zuverlässige Messdaten sind die Basis eines passgenauen Kompressionsstrumpfes. Deshalb messen wir Kompressionsstrümpfe digital, mithilfe des medi vision Messsystems – ein hochmodernes Verfahren, mit dem wir die Messung nicht nur schnell und präzise, sondern auch nahezu berührungslos durchführen können. Letzteres wird gerade in Zeiten der Pandemie von unseren Kundinnen und Kunden sehr geschätzt. Lediglich bei den flachgestrickten medizinischen Kompressionsstrümpfen für die Lymph- und Lipödemtherapie kann es sein, dass wir weitere definierte Maßpunkte manuell erfassen.
Lässt sich das digitale System auch für die eigentliche Bestellung nutzen?
Herr Scherzl: Wir nutzen medi vision für das gesamte Prozedere: vom Maßnehmen über die Auswahl bis hin zur Bestellung des Kompressionsstrumpfs. Hierfür kombiniert medi vision ein Tablet mit einer speziellen Software und einer 3D-Kamera. Per Scan wird zunächst ein exaktes 3D-Modell der Beine mit allen relevanten Maßdaten erstellt – diskret und komfortabel. Anschließend wählen wir gemeinsam mit dem Patienten am Tablet weitere Details wie Farbe und Ausstattungsvarianten aus, bevor wir die Kompressionsstrümpfe dann endgültig in Auftrag geben. Der gesamte Vorgang dauert nur wenige Minuten. Außerdem ist medi vision mobil einsetzbar und damit auch für Kunden hilfreich, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
Ohne das geschulte Fachpersonal bringt jedoch auch ein digitaler Assistent nicht die Leistung, zu der er fähig ist...
Herr Scherzl: ... das ist richtig, die Expertise des spezialisierten Fachgeschäfts ist und bleibt entscheidend. Denn nur speziell geschulte Fachkräfte verfügen über die fachliche Kompetenz, das digitale Messsystem exakt zu bedienen und jeden einzelnen Kunden eingehend beraten zu können.
Nähere Informationen: www.orthoforum.info