Das Immunsystem stärken
Nach aktuellen Schätzungen von Experten liegt bei bis zu 90 Prozent der deutschen Bevölkerung eine Unterversorgung mit Vitamin D vor — und das generationenübergreifend. Vor allem in den Wintermonaten macht sich ein Mangel bemerkbar, den man gar nicht erst entstehen lassen sollte.
Von Apotheker Thomas Knaier
Als "Asa foetida" bezeichnet man den getrockneten Milchsaft aus dem Wurzelstock (Rhizom) verschiedener Ferula-Arten, die vor allem in Nordafrika und Asien vorkommen. Ferula assa-foetida (Asant) bildet die Basis vieler traditioneller Anwendungen bei Erkrankungen der oberen Atemwege und des Verdauungstrakts. Jüngere pharmakologische Untersuchungen lassen auf entzündungshemmende, antidiabetische und antibakterielle Effekte schließen. Angesichts der neu entdeckten Wirkungen scheint der Asant ein großes Potenzial für die Zukunft zu bieten.
Vitamin D ist das einzige Vitamin, bei dem die biologisch aktive Form Vitamin D3 eigentlich ein Hormon ist. Im Gegensatz zu allen anderen Vitaminen, welche ausschließlich über die tägliche Nahrung aufgenommen werden, ist unser Körper in der Lage, Vitamin D3 durch Sonneneinstrahlung in der Haut zu bilden. In unseren Breitengraden reicht die Sonneneinstrahlung jedoch lediglich in den Mittagsstunden der Sommermonate aus, das »Sonnenvitamin« zu bilden. Hinzu kommt, dass unser moderner Lebensstil und die Arbeit in geschlossenen Räumen zur Folge haben, dass wir auch im Sommer häufig zu wenig Sonne tanken. Dies gilt nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder. Im digitalen Zeitalter verbringen Kinder und Jugendliche durch Fernsehkonsum, Computerspiele und Smartphones zu wenig Zeit in der Sonne. Wir tragen im Sommer Sonnencremes mit hohem Lichtschutzfaktor auf die Haut auf und schirmen auf diese Weise die für die Vitamin-D3-Produktion notwendigen Sonnenstrahlen ab. Bei älteren Menschen sinkt die natürliche Vitamin-D-Synthesefähigkeit in der Haut biologisch bedingt. Dabei ist bekannt, dass eine zu geringe Versorgung mit Vitamin D3 zu häufigeren Infekten, Erkältungen und Entzündungen und – in den Wintermonaten – zu Symptomen wie Müdigkeit und Erschöpfung führen kann. Neueste Studien belegen, dass auch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten chronischer Erkrankungen wie Osteoporose, Diabetes, Alzheimer und Krebs durch einen solchen Mangel langfristig steigt.
Tagesbedarf und Zufuhrempfehlungen
Der Tagesbedarf an Vitamin D für einen gesunden Erwachsenen wurde 2008 mit fünf bis zehn Mikrogramm (µg) angegeben. Da sich in der Folge herausstellte, dass etwa 80 Prozent der Deutschen mit einer durchschnittlichen täglichen Aufnahme von 2,5 Mikrogramm unterversorgt waren, hob die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) 2012 die Empfehlungen für die Vitamin D3-Zufuhr auf 20 Mikrogramm (= 800 I.E./Tag) an. Säuglinge sollten 400 I.E./Tag erhalten. Bei einer regelmäßigen therapeutischen Gabe von Vitamin D3 sollten die Blutspiegel kontrolliert werden, um die empfohlenen 75 nmol/l als gute Versorgung zu gewährleisten. Zur Verbesserung der Einnahmetreue werden gelegentlich höhere wöchentliche oder monatliche Vitamin-D-Gaben empfohlen. Diese sogenannten Hochdosen sind jedoch aufgrund der Fettlöslichkeit von Vitamin D3 umstritten und im Gegensatz zu einer täglichen Gabe von 800 bis 1000 I.E. toxikologisch zumindest fragwürdig. In den USA und Kanada wird heute bereits Trinkmilch regelmäßig mit zehn Mikrogramm Vitamin D3 pro Liter angereichert.
Struktur und Funktionen des »Vitamins«
Als Vitamin D wird landläufig eine Gruppe von Substanzen bezeichnet, die chemisch eine Steroidstruktur aufweist. Für die orale Gabe hat sich Cholecalciferol, besser bekannt unter dem Namen Vitamin D3, als optimal erwiesen. Biologisch wirksam ist in der Folge das hauptsächlich in den Nieren daraus gebildete Calcitriol. Vitamin D ist unerlässlich für den Aufbau von gesunden Knochen und Zähnen, da es die Aufnahme von Calcium aus der Nahrung und die Einlagerung des Minerals in den gesunden Knochen und Zahnschmelz vermehrt und fördert. Dünner, unregelmäßiger und schlecht ausgebildeter Zahnschmelz mit Karies deutet auf einen Mangel hin. Vitamin D unterstützt das Immunsystem, indem es die Aktivierung und Reaktion der weißen Blutkörperchen bei Infektionen erhöht. Aus Studien ergeben sich Zusammenhänge zwischen einer Störung des Vitamin-D-Stoffwechsels und dem Auftreten von Autoimmunerkrankungen. Vitamin D fördert zudem das Muskelzellwachstum und das Wachstum gesunder Zellen in den verschiedensten Geweben. Ein guter Vitamin-D-Status, insbesondere bei älteren Menschen, in Kombination mit sportlicher Aktivität, erhöht die Muskelkraft, verbessert die körperliche Koordination und reduziert das Sturzrisiko.
Bedarfsdeckung
Im Normalfall werden 90 Prozent des vom erwachsenen Menschen benötigten Vitamin D durch die UVB-Strahlung der Sonne von der Haut gebildet, zehn Prozent werden über die Nahrungszufuhr gedeckt. Gute Vitamin-D3-Lieferanten sind Lachs (16 µg/100 g), Thunfisch (5 µg/100 g), Hühnereier und Kalbsleber (je 1 µg/100 g). Vitamin-D3-Mangelformen und Störungen des Vitamin-D-Haushalts sind, wie erwähnt, durch unseren modernen Lebensstil mit wenig täglicher UV-Bestrahlung, dem nördlichen Breitengrad und der Verwendung von Sonnenschutzmitteln, die ab einem Lichtschutzfaktor über 8 jegliche Vitamin-D3-Synthese in der Haut unterbinden, verbreitet. Da Vitamin D3 vor allem in tierischen Lebensmitteln vorkommt, haben Vegetarier und Veganer oft einen latenten Mangel. Bei älteren Menschen und Menschen mit Nierenleiden ist die Umwandlung von Calcidiol in Calcitriol (D3), der aktiven Form von Vitamin D, vermindert, weshalb diese Gruppe einen stark verschlechterten Vitamin-D-Status aufweist. Darüber hinaus ist aus der Toxikologie-Literatur bekannt, dass die in bestimmten Bevölkerungsgruppen verbreitete chronische Belastung mit Schwermetallen zur Blockade der Vitamin-D-Aktivierung führen kann.
Störungen des Vitamin-D-Haushalts
Bei Kindern und Jugendlichen äußern sich Störungen des Vitamin-D-Haushalts in verzögertem Wachstum und gestörter Entwicklung von Knochen und Muskulatur (später Krabbel- und Laufbeginn). Die Kinder leiden unter erhöhter Reizbarkeit und Unruhe und haben ein geschwächtes Immunsystem mit wiederholten Infekten. Auch rachitische, weiche Knochenmasse mit Deformationen an Wirbelsäule und krummen Beinen (O-Form), vergrößerte Gelenke an den Rippenbögen und Gelenksschmerzen in den Knien treten häufig auf. Zudem ist die Ausbildung des Milchgebisses verspätet, beobachtet wird eine schlechte Entwicklung des Zahnschmelzes mit häufigen Zahnschäden.
Erwachsene haben durch den Verlust von Mineralsubstanz im Knochen ebenfalls häufig Skelettdeformitäten und Knochenschmerzen und neigen eher zu Brüchen. Antriebslosigkeit, Müdigkeit und erhöhte Infektanfälligkeit resultieren aus einem gestörten Immunsystem. Muskelschwäche beim Gehen im Hüft- und Beckenbereich, ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebsarten, depressive Zustände sowie erhöhter Blutdruck werden mit Störungen im Vitamin-D-Haushalt in Verbindung gebracht.
Orale Vitamin-D-Präparate
Die Zahl der oral einzunehmenden Vitamin-D-Präparate aus der Apotheke ist in den letzten Jahren aufgrund der neu gewonnen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem »Vitamin« sprunghaft gestiegen. Die Dosierungen der einzelnen Präparate reichen von 500 bis 1000 I.E. in Form einer Tablette (Dragee) einmal täglich über 5600 I.E. in einem neuen Präparat bis zu 20.000 I.E. einmal wöchentlich (siehe Kasten). Orales Vitamin D3 (Cholecalciferol) wird bei Gesunden zu 60 bis 90 Prozent im Dünndarm resorbiert. Darm-, Bauchspeicheldrüsenentzündungen, Leber- und Gallenblasenerkrankungen sowie ein Gallenbypass verschlechtern die Aufnahme. Übergewicht und Adipositas vermindern die Bioverfügbarkeit.
Anwendungsgebiete
Wie bereits streiflichtartig erwähnt, ist die Palette der Anwendungsgebiete des fettlöslichen »Vitamins« oder besser Hormons lang. Sie reicht von der Behandlung von Entzündungen und Schmerzen, Immunmodulation bei Autoimmunerkrankungen über Krebsprävention und den Einsatz bei Multipler Sklerose bis hin zu den landläufig bekannten Anwendungsgebieten bei Muskelschwäche und Osteoporose (Sturzprophylaxe). Auch der erfolgreiche Einsatz bei Schuppenflechte (Psoriasis), bei der Vitamin D das Wachstum normaler Hautzellen fördert und die Schubfrequenz mindert, sowie die Anwendung bei Tinnitus und Ohrensausen sind mittlerweile durch Studien gut belegt. Ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel im Blut fördert zudem die Zahngesundheit. Das Parodontitisrisiko und der darauf folgende Zahnverlust werden durch die entzündungshemmende und antimikrobielle Wirkung verringert.
Hochdosis/Überdosierung
Gegenwärtig sind die Normwerte eines optimalen Vitamin-D-Blutspiegels noch umstritten, allgemein gilt ein Blutspiegel von 75 nmol/l für Erwachsene als gut. Biologisch aktiv ist das 1,25 Dihydroxyvitamin D3, besser bekannt als Calcitriol.
Eine Vitamin-D-Bestimmung bei 250 000 Dänen ergab, dass ein Vitamin-D-Blutspiegel über 80 nmol/l die Sterblichkeit um das 1,5-Fache, unter 50 nmol/l um das 2,4-Fache erhöht. Bei Erwachsenen liegen die chronisch toxischen Dosierungen bei 50 bis 75 Mikrogramm (2000 – 3000 I.E.) Vitamin D/kg Körpergewicht/Tag über einen längeren Einnahmezeitraum und damit über den normalerweise therapeutisch eingesetzten Dosen.
Allgemeine Prophylaxe
Deutschland mit seiner Lage zwischen dem 47. und 55. Breitengrad ist wie die meisten Länder Nordeuropas durch eine chronische Unterversorgung der Bevölkerung mit Vitamin D gekennzeichnet. Eine Studie des Robert Koch-Instituts mit einer hausärztlichen Erfassung von 1200 Patienten zeigte kürzlich, dass bis zu 90 Prozent der Bundesbürger aller Altersgruppen nur unzureichend mit Vitamin D versorgt sind. Unser sonnenarmer Lebensstil und die kaum mögliche Substitution über die Nahrung verstärken das Defizit. Eine Unterversorgung zeigt sich zu Beginn häufig in einer Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens und vermehrtem Auftreten von Atemwegsinfekten in der Erkältungszeit und depressiven Verstimmungszuständen. Eine Substitution ist daher in den dunklen Wintermonaten nahezu allen Erwachsenen und Kindern zu empfehlen.
RAT DES APOTHEKERS
Die Einnahme eines oralen Vitamin-D-Präparats wird Menschen mit geringer Sonnenlichtexposition (Arbeiten im Büro, Leben in Heimen und geschlossenen Räumen etc.) empfohlen, ebenso Menschen über 60 Jahre mit ohnehin verringerter Vitamin-D-Syntheseleistung der Haut und Menschen dunklerer Hautfarbe.
Frauen in der Schwangerschaft und in den Wechseljahren sowie Menschen mit Übergewicht (Vitamin D wird in subkutanen Fettdepots vermehrt abgebaut) sollten eine Einnahme des »Sonnenvitamins« in Erwägung ziehen. Auch durch Einnahme von synthetischen Blutdrucksenkern wird der Vitamin-D-Stoffwechsel negativ beeinflusst. Kortison-Präparate haben Nebenwirkungen auf den Knochenumsatz zur Folge.
Als Vitamin-D-Präparate stehen in der Apotheke z. B. Vigantoletten 1000® für Erwachsene oder Vitamin D3 Hevert 1000® und Vigantoletten 500® für Kinder zur täglichen Einnahme zur Verfügung.
Neuere Präparate, z. B. Vitamin D-loges 5.600 I.E.® und Vitagamma® D3 5.600 I.E., sollten aus Compliancegründen nur einmal wöchentlich eingenommen werden. Letztere sind als Hochdosistherapeutika (wie im Abschnitt »Hochdosis/Überdosierung« im Artikel beschrieben) therapeutisch zumindest fragwürdig.