Bluthochdruck

Bluthochdruck

Das Smartphone als Therapiehelfer bei Bluthochdruck

Um was geht es genau? Die Münchner eXPLORE-Studie möchte herausfinden, ob ein digital gesteuertes Gesundheitsprogramm Betroffenen dabei helfen kann, ihren Bluthochdruck besser in den Griff zu bekommen.

Wer kann teilnehmen? An der Studie kann jeder Patient ab 18 Jahren mit der Diagnose „Blutdruck“ teilnehmen, der im Besitz eines Smartphones ist und seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Die Teilnahme dauert sechs Monate.

Wie läuft die Studie ab? Über das Smartphone erhält ein Teil der Studienteilnehmer parallel zur gängigen Behandlung durch den Hausarzt oder den Kardiologen einen speziell zugeschnittenen und erweiterten Therapieplan. Zum Vergleich wird die andere Hälfte der teilnehmenden Patienten nur mit einer Standardtherapie behandelt.

Was ist das Ziel des digitalen Therapiesteuerung? Das digitale Programm zielt darauf ab, die Patienten individuell und eng zu begleiten.

Gibt es die Möglichkeit, sich gegebenenfalls an einen Therapeuten zu wenden? Um persönliche Messwerte und medizinische Fragen zu besprechen, können die Teilnehmer zudem einen Arzt oder eine Ärztin in einer Videosprechstunde konsultieren.

Wo findet man weitere Informationen? Alle Infos zur eXPLORE-Studie und zur Teilnahme finden Sie auf der Studienwebsite:

www.explore-studie.com 


„Eine konsequente Behandlung ist wichtig!“

Mehr als jeder vierte Erwachsene in Deutschland leidet unter Bluthochdruck – und oft wird er nicht ausreichend behandelt. Dabei ist Bluthochdruck einer der wichtigsten Risikofaktoren für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. „Schon allein deshalb sollte jeder seinen Blutdruck kennen und spätestens ab dem 40. Lebensjahr mit regelmäßigen Messungen beginnen – und auf eine konsequente Behandlung setzen, wenn er zu hoch ist“, sagt Prof. Dr. Stefan Brunner. Der Kardiologe leitet die Medizinische Klinik und Poliklinik I des LMU Klinikums am Campus Innenstadt. Gerade haben er und sein Team eine neue Studie für Patienten mit Bluthochdruck gestartet. Das Ziel: zu ermitteln, inwieweit Hochdruck-Patienten profitieren, wenn ihre Therapie digital gesteuert wird.

Von Dr. Nicole Schaenzler

Herr Prof. Brunner, schon seit Jahren steht Bluthochdruck auf der Liste der zehn bedrohlichsten Krankheiten weltweit – und dennoch wird die Erkrankung nach wie vor unterschätzt. Was sind die Gründe?

Prof. Brunner: Ein Grund ist sicherlich, dass viele Bluthochdruckpatienten lange Zeit gar nichts von ihrer Erkrankung wissen. Denn ein zu hoher Blutdruck – eine Hypertonie - macht lange Zeit keine Beschwerden, und er schränkt auch die Lebensqualität erst einmal nicht spürbar ein. Deshalb wird die Hypertonie auch „stiller Killer“ genannt: Bleibt sie unbehandelt, ist die Gefahr für schwere Erkrankungen groß – bis hin zum lebensgefährlichen Notfall wie einem Herzinfarkt oder Schlaganfall. Tatsächlich gehört Bluthochdruck zu den wichtigsten Risikofaktoren für die Entstehung von Herzerkrankungen, allen voran der koronaren Herzkrankheit oder einer chronischen Herzmuskelschwäche. Für die Entstehung eines Schlaganfalls ist ein chronisch zu hoher Blutdruck sogar der wichtigste Risikofaktor: Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, ist für Hochdruck-Patienten gegenüber Menschen mit normalem Blutdruck um das Drei- bis Vierfache erhöht. Aber auch eine zunehmende Beeinträchtigung der Hirnleistung kann eine Folge sein – wir sprechen dann von einer vaskulären Demenz.

Was macht einen chronisch zu hohen Blutdruck so gefährlich?

Prof. Brunner: Ist der Blutdruck chronisch zu hoch, werden zuerst die Blutgefäße in Mitleidenschaft gezogen, sodass sich mit der Zeit eine Arteriosklerose – eine Gefäßwandverkalkung - entwickelt. Dieser Vorgang entwickelt sich schleichend über Jahre, ohne dass der Betroffene etwas davon bemerkt. Am Ende stehen jedoch Durchblutungsstörungen und damit einhergehend eine Unterversorgung von Organen mit Sauerstoff, weil die Gefäße immer mehr verengen und verstopfen.  Neben den Herzkranzgefäßen, den hirnversorgenden Halsarterien oder auch den Gefäßen direkt im Gehirn können auch andere Gefäße, etwa in den Beinen, betroffen sein. Ebenso können die feinen Gefäße der Nieren durch einen anhaltend erhöhten Blutdruck schweren Schaden nehmen, was dann eine Nierenschwäche bis hin zum Nierenversagen mit Dialyse zur Folge haben kann. Gleiches gilt für die Netzhautgefäße der Augen, wir sprechen dann von einer hypertensiven Retinopathie, die im Extremfall zur Erblindung führen kann. Und auch die Entstehung eines Bauchaortenaneurysmas wird durch Bluthochdruck begünstigt.

Die Empfehlungen der verschiedenen Fachgesellschaften sind nicht ganz einheitlich. Welche Zielwerte sollten Menschen mit Bluthochdruck anstreben? 

Prof. Brunner: Die Zielwerte, die die Fachgesellschaften in ihren Leitlinien empfehlen, beruhen auf der Auswertung von aktuellen Studien. Dabei kann die Bewertung von Expertengremium zu Expertengremium etwas voneinander abweichen. Hierzulande richten wir uns nach den  Europäischen Leitlinien, die einen Zielwert von < 130/80 mmHg beziehungsweise bei Personen, die älter als 65 Jahre alt sind, einen Zielwert von < 140/80 mmHg empfehlen.

Was sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bluthochdruckbehandlung?

Prof. Brunner: Wichtigste Voraussetzung ist die Compliance des Patienten: Nur wenn sich der Patient wirklich konsequent an die Empfehlungen des behandelnden Arztes hält, kann der Blutdruck auch erfolgreich behandelt werden. Dazu gehört erst einmal ein gesünderer Lebensstil mit einer Reduktion der Salz- und Alkoholzufuhr, einer Normalisierung des Körpergewichts, gesunder Ernährung und regelmäßiger körperlicher Aktivität. Häufig gelingt es jedoch mit diesen Maßnahmen allein nicht, den Blutdruck zufriedenstellend einzustellen, sodass meist zusätzlich eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden muss. Dann ist es wichtig, diese Medikamente regelmäßig einzunehmen. Darüber hinaus sind regelmäßige Kontrollen und gegebenenfalls eine Anpassung der Therapie entscheidend. Menschen, die unter Bluthochdruck leiden, sollten regelmäßig ihren Blutdruck messen – auf diese Weise haben sie ihn besser unter Kontrolle, als wenn er nur in der Arztpraxis gemessen wird. In einen Blutdruck-Pass können die Messungen eingetragen werden – so erhalten Patient und Arzt einen Überblick über den Verlauf des Bluthochdrucks und damit eine gute Grundlage für eine optimale Einstellung der Werte.

Was kann man tun, wenn sich ein zu hoher Blutdruck trotz aller Bemühungen nicht zufriedenstellend senken lässt?

Prof. Brunner: Werden die Empfehlungen des Arztes hinsichtlich einer Lebensstiländerung und der medikamentösen Therapie beherzigt, lässt sich ein hoher Blutdruck in den meisten Fällen gut einstellen. Bei einer unzureichenden Senkung des Blutdrucks muss nach sogenannten sekundären Hypertonieursachen gesucht werden, die dann entsprechend behandelt werden müssen. Hierzu zählen vor allem endokrinologische Ursachen wie das Conn-Syndrom, Phäochromozytom oder Cushing-Syndrom, aber auch Nierenerkrankungen, allen voran eine krankhafte Verengung der Nierenarterie oder eine chronische Nierenschwäche, können Auslöser sein. Lässt sich trotz sorgfältiger Abklärung keine sekundäre Ursache finden und wurde der Patient bereits mit einer Vielzahl an Medikamenten behandelt, kommen in seltenen Fällen invasive Verfahren in Betracht, z.B. die renale Denervation oder die sogenannte Baroreflex-Stimulation. Man muss allerdings sagen, dass diese Methoden nur bei einem kleinen Teil der Patienten in Frage kommt – dies muss also im Einzelfall stets sorgfältig geprüft werden.

Wann sprechen Sie von einer Blutdruckkrise?

Prof. Brunner: Wenn der Blutdruck plötzlich auf Werte über 180/120 mmHg oder gar über 220/120 mmHg ansteigt. Das Beschwerdebild einer Blutdruckkrise reicht von klinischer Unauffälligkeit über Hitzegefühl, Kopfschmerzen, Herzklopfen, Brustschmerzen, Atemnot, Schwindel bis hin zu neurologischen Beschwerden, die an einen Schlaganfall denken lassen. Eine Blutdruckkrise ist in jedem Fall eine ernste klinische Situation, die eine rasche ärztliche Kontrolle und Therapie erfordert – auch, weil schwere Organschäden etwa an Herz, Gehirn und/oder Nieren drohen. Je nach Beschwerdebild und vorbestehender Herz- oder Gefäßerkrankung ist gegebenenfalls auch die Behandlung durch einen Notarzt und eine weitere stationäre Überwachung erforderlich. Bei wiederholtem Auftreten von Blutdruckkrisen ist eine sorgfältige Untersuchung auf eine hormonelle Ursache notwendig, um z.B. ein Phäochromozytom oder ein Karzinoid-Syndrom auszuschließen.

Derzeit suchen Sie Teilnehmer für die LMU eXPLORE-Studie. Was genau wird untersucht?

Prof. Brunner: In der eXPLORE-Studie untersuchen wir das Potenzial und die Wirksamkeit digitalisierter Therapien bei Patienten mit Bluthochdruck. Die Patienten erhalten ergänzend zur üblichen Behandlung durch den Hausarzt oder den Kardiologen einen individuell abgestimmten und erweiterten Therapieplan, der ihnen über das Smartphone zur Verfügung gestellt wird. Durch diese zusätzliche innovative digitalisierte Therapie erhoffen wir uns, dass die Blutdruckeinstellung und somit die Gesundheit der teilnehmenden Patienten nachhaltig verbessert werden kann. eXPLORE ist als zweiarmige, randomisierte Studie angelegt, das heißt, die Hälfte aller teilnehmenden Patienten wird mit dem digitalen Gesundheitsprogramm behandelt, die andere Hälfte erhält die Standardbehandlung. Die Zuteilung erfolgt rein zufällig. Die Teilnehmer haben somit eine 50-prozentige Chance, das digitale Gesundheitsprogramm zusätzlich zu ihrer Standardtherapie zu erhalten.

Blutdruckwerte im Überblick gemäß der aktuellen Europäischen Leitlinien (ESC/ESH-Guidelines)

Optimal:

< 120/80 mmHg

Normal:

< 130/85 mmHg

Hochnormal: 

< 140/90 mmHg

Bluthochdruck Grad 1: 

< 160/100 mmHg

Bluthochdruck Grad 2:

< 180/110 mmHg

Bluthochdruck Grad 3:

> 180/110 mmHg

isolierter systolischer Bluthochdruck: 

> 140/< 90 mmHg

 

Zur Person

Prof. Dr. Dr. Stefan Brunner


Leiter der Medizinischen Klinik und Poliklinik I
LMU Klinikum München
Campus Innenstadt
Tel: +49 89 4400 32601 (Sekretariat)
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. (Sekretariat)