»Ohne meine Schiene hätte ich nicht so schnell wieder einsteigen können!«

Amelie Quintar gehört zu den großen Talenten im deutschen Hallenvolleyball und Beachvolleyball: Ende Juni hat sie sich im Beachvolleyball den Bayerischen Meistertitel U18 und damit auch die Qualifikation für die Deutsche Jugendmeisterschaft gesichert. Eine tolle Leistung – und dies obwohl sie drei Monate zuvor eine schwere Fingerverletzung erlitten hatte und deshalb mit Fingerschiene spielte. Für sie kein Handicap, sondern im Gegenteil ein gutes Hilfsmittel, dank dem sie ihr ganzes Können abrufen konnte.


Von Dr. Nicole Schaenzler

Volleyball ist ein extrem schneller Sport: Schnelle Antritte im Wechsel mit ebenso schnellen Stopps prägen das Spiel. Ebenso sind Denkschnelligkeit und blitzschnelles Reaktionsvermögen gefragt. Aber auch die Bälle erreichen enorm hohe Geschwindigkeiten – und immer sind es die Hände und Finger, die im Zentrum des Geschehens stehen: beim oberen oder unteren Zuspiel, dem Pritschen oder Baggern, wie es im Volleyballsport heißt, aber auch beim Angriffsschlag, Blocken oder Aufschlag. 

Volleyball ist vor allem harte Handarbeit

Kein Wunder, dass im Volleyball eine der häufigsten Verletzungen die Finger betrifft. Prallt der Ball z. B. mit Wucht auf die ausgestreckten Finger, kann die Strecksehne des Fingers reißen oder ein Knochen brechen. Letzteres ist der 17-jährigen Hallenvolley- und Beachvolleyballerin Amelie Quintar im März dieses Jahres passiert: Während einer Abwehrhandlung traf der Ball so ungünstig auf den gestreckten kleinen Finger, dass es knackte. Sich vorzeitig auswechseln zu lassen, kam für sie nicht infrage. Stattdessen spielte die talentierte Nachwuchsleistungssportlerin vom Verein TSV Turnerbund München e.V. (TBM) weiter. »Wie schmerzhaft die Verletzung eigentlich ist, spürte ich erst später«, sagt Amelie Quintar. 
Auch in den folgenden Tagen ließen die Schmerzen nicht nach, deshalb führte der Weg schließlich ins Krankenhaus, um den Finger genauer untersuchen zu lassen. Im Röntgenbild zeigte sich dann das ganze Ausmaß der Verletzung: Der kleine Finger war gebrochen und zwar so, dass es keine Alternative zu einem operativen Eingriff gab. »Es wurde empfohlen, die Fingerfraktur mit zwei Schrauben zu stabilisieren«, erinnert sich Amelie Quintar.  
Auch wenn sich die Zwangspause etwas länger hinzog als ursprünglich gedacht: Schon bald standen Ergotherapie und moderates Kraft- und Athletiktraining auf dem Programm, um dem Finger nach und nach seine Kraft und Beweglichkeit zurückzugeben und die gewohnte körperliche Fitness zurückzuerlangen. Das erklärte Ziel: So rasch wie möglich wieder aufs Spielfeld zu kommen. Letztendlich reichte die Zeit jedoch nicht aus, um wie geplant mit der Bayernauswahl am großen Bundespokal teilzunehmen – ein Ausfall, den auch ihre Trainer sehr bedauerten.    
   
Triumpf im Beachvolleyball

Eine Variante des Volleyballs ist Beachvolleyball. Im Gegensatz zum Hallenvolleyball wird ausschließlich auf Sandplätzen und meist unter freiem Himmel gespielt. Zudem ist das Spielfeld kleiner, denn eine Mannschaft besteht nicht, wie beim Hallenvolleyball aus sechs, sondern nur aus zwei Spielern. Im Juni fanden die Bayerischen Meisterschaften der verschiedenen Nachwuchsjahrgänge statt, Amelie Quintar trat bei der Bayerischen Meisterschaft der U18 an und zeigte mit ihrer Vereinskollegin eine außergewöhnliche Leistung: Nach sechs umkämpften Spielen sicherten sich die beiden den Meistertitel der Bayerischen U18 und damit die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft. Während des Turniers hatte die 17-Jährige eine spezielle Schiene getragen, die Orthopädietechnikermeister Franz Scherzl von Orthoforum Orthopädietechnik für sie nach Maß gefertigt hatte. Die Schiene schützt ihren Finger, ohne die Beweglichkeit der Hand zu beeinträchtigen: »Ich spüre die Schiene praktisch nicht und sie schränkt mich auch nicht ein«, erklärt Amelie Quintar. 

Nächste Herausforderung: 2. Bundesliga
 
Seit September liegt ihr Fokus wieder mehr auf dem Hallenvolleyball. Denn die Damen 1 des TSV Turnerbunds München ist in die 2. Bundesliga Süd aufgestiegen – nach nur einem Jahr in der 3. Bundesliga. Diagonalspielerin Amelie Quintar freut sich schon sehr auf die neue Herausforderung. Längst hat sie ihr altes Leistungsniveau erreicht und auch die Verletzung ist gut ausgeheilt: Der Fingerknochen ist wieder vollständig zusammengewachsen. Aus medizinischer Sicht müsste Amelie Quintar deshalb eigentlich keine Schiene mehr tragen. Doch noch zögert sie, ganz auf die Orthese zu verzichten – das sei aber vor allem eine »Kopfsache«, wie sie erklärt: »Es macht mich noch etwas sicherer, wenn ich weiß, dass der Finger gut geschützt ist.«
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Individuelle Fingerschiene –
unverzichtbar bei Fingerverletzungen im Ballsport


Herr Scherzl, im Ballsport wie Volleyball sind Fingerverletzungen häufig. Kann das Tragen einer Fingerschiene einen verletzten Finger wirksam schützen?

Herr Scherzl: Auf jeden Fall. Oftmals erlaubt erst das Tragen einer Fingerorthese bzw. -schiene den Betroffenen, dass sie das Training so rasch wie möglich wieder aufnehmen und an Spielen und sogar Wettkämpfen teilnehmen können. Wichtig ist, dass die Schiene individuell passend auf den Finger und das Verletzungsbild entwickelt wurde. Dies können konfektionierte Orthesen im Allgemeinen nicht leisten. Außerdem hat es sich bewährt, den gesamten Finger und nicht z. B. ein einzelnes Fingerglied mit einer Orthese zu versorgen – auf diese Weise wird zum einen ein größtmöglicher Schutz, zum anderen eine gute Mobilisierung des Fingers erreicht. Gleichzeitig muss die Schiene aber auch sehr strapazierfähig sein, ohne dass die Sportler irgendwelche Einbuße beim Tragekomfort haben.

Welche Anforderungen muss eine Fingerschiene erfüllen?  

Herr Scherzl: Für einen verletzten oder operierten Finger bilden Orthesen einen wichtigen Bestandteil im Rehabilitationsprozess. Die Anforderungen an eine Fingerschiene können dabei variieren, je nachdem, ob der Knochen des Fingers gebrochen, ein Gelenk verletzt, das Seitenband gedehnt, die Strecksehne abgerissen oder eine Kapsel eingerissen ist. Aber auch während des Heilungsprozesses können an eine Fingerschiene unterschiedliche Ansprüche gestellt werden. Beispielsweise steht in den ersten Tagen nach dem Ereignis oft zunächst die uneingeschränkte Ruhigstellung des verletzten oder operierten Fingers im Vordergrund, in diesem Fall kann dann erst einmal eine starre Schiene hilfreich sein. Später, wenn es darum geht, dass der Finger seine volle Beweglichkeit zurückerlangt und sich wieder problemlos strecken und beugen lässt, muss die Schiene dem Finger etwas Bewegungsspielraum lassen und ihn gleichzeitig weiterhin gut schützen. Während des Trainings oder Spiels muss die Schiene dann den größtmöglichen Schutz bieten, ohne dass sich die Sportler in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt fühlen. Diese Anforderungen lassen sich nur erfüllen, wenn die Fingerschiene maßgefertigt wird. 

Also wird praktisch immer ein Unikat hergestellt?

Herr Scherzl: Genau. Auch für Amelie Quintar haben wir ein Modell kreiert, dass es vorher nicht gab. Schienen können mit verschiedenen Fertigungstechniken produziert werden, beispielsweise mit einem Gipsabdruck, der Laminattechnik oder einem 3D-Druck. In ihrem Fall haben wir uns dazu entschieden, die Volleyballschiene aus einem speziellen, thermoplastisch verformbaren Kunststoff zu fertigen, die direkt am Finger geformt und so exakt auf die individuelle Anatomie des Fingers abgestimmt ist. Zugleich galt es, die Schiene richtig zu positionieren, sodass sich die Öffnungen an den richtigen Stellen befinden und die Befestigungen genau passen – dies lässt sich am besten erreichen, wenn man direkt am Finger arbeitet. Letztlich geht es immer darum, die speziellen Anforderungen, die an die Orthese gestellt werden, auch wirklich zu erfüllen und so das individuell bestmögliche Ergebnis für die Betroffenen zu finden. 

Eine weitere häufige Volleyballverletzung betrifft den Daumen. Kann auch bei dieser Verletzung eine Orthese helfen?

Herr Scherzl: Ja, sicherlich. Ein häufige Verletzung im Volleyball ist z. B. eine Umknickverletzung, durch die dann oft z .B. der Kapsel-Band-Apparat des Daumens geschädigt wird. Hier leistet eine Daumenorthese wertvolle Dienste, indem sie für die nötige Stabilisierung sorgt oder, wenn der chirurgische Einsatz einer Bandplastik notwendig ist, das Operationsergebnis durch eine gezielte Ruhigstellung sichert und so wesentlich zur Förderung des Heilungsprozesses beiträgt. Hierfür verordnet der Arzt häufig eine maßgefertigte Daumenorthese, die genau auf die anatomischen Gegebenheiten des Daumens abgestimmt ist – dies vermag ein vorgefertigtes Modell, wie gesagt, kaum zu leisten. 

Sie erwähnen die 3D-Drucktechnologie, die im medizinischen Bereich weltweit auf dem Vormarsch ist. Ist die neue Technologie auch schon eine Option für die Anfertigung von Daumen- oder Fingerorthesen?

Herr Scherzl: Auf jeden Fall, wir selbst bieten bereits seit einiger Zeit maßgefertigte Orthesen an, die im 3D-Drucker entstanden sind – und wir haben gute Erfahrungen damit gemacht. Hierfür arbeiten wir mit einem deutschen Unternehmen zusammen, das sich auf die Herstellung von individuellen Hilfsmitteln mittels 3D-Druck spezialisiert hat. Meiner Meinung nach hat die neue Technologie das Potenzial, das Versorgungsspektrum der Orthopädietechnik gerade im Bereich der maßgefertigten Orthesen optimal zu ergänzen. Noch ist das 3D-Verfahren jedoch nicht im Hilfsmittelkatalog der Gesetzlichen Krankenkassen gelistet.  

Franz Scherzl ist Orthopädietechnikermeister und Geschäftsführender Gesellschafter der Orthoforum Orthopädietechnik in München-Perlach.
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